25.09.2023 - Interview: PVB-Mitglieder

Fragen an Barbara Gysi, Nationalrätin und Präsidentin des PVB

Was gedenken Sie für die «verlorene Generation» zu
tun? 

(«Verlorene Generation»: ein von einer PVB-Gewerkschafterin verwendeter Begriff zur Bezeichnung der aktuell 0 bis 10 Jahre vor der Pensionierung stehenden Generation.)

Wir hatten uns bei der letzten Umwandlungssatzsenkung sehr stark für einen Beitrag des Bundes eingesetzt, welcher das Parlament dann leider abgelehnt hatte. Aktuell sind wir in intensiven Gesprächen mit Publica, EPA und dem EFD, um einen Teuerungsausgleich auf den Publicarenten zu erwirken. Leider ist das sehr schwierig und die politische Bereitschaft seitens EPA und Bundesrat scheinen nicht vorhanden.
Unsere Vertreter:innen in den Publica-Organen engagieren sich für eine angemessene und faire Verzinsung. Rentenbeziehende für Sanierungsmassnahmen beizuziehen, erachte ich als falsch. Wir kämpfen dafür, dass alle mit dem entsprechenden Rentenversprechen im Alter rechnen können.

 

Wie bereitet sich ein Mitglied des Parlaments vor?
Welche Unterlagen erhalten sie ausserhalb der Session oder Kommissionssitzungen?
 

Die Unterlagen sind sehr umfassend. Für die Sessionsgeschäfte gibt es ein Dossier mit Informationen zu allen Geschäften und zu den Anträgen, welches mehrere Hundert Seiten umfasst. In der Regel vertiefe ich diejenigen Vorlagen meiner Schwerpunktthemen und aus meinen beiden Kommissionen (Finanzen, Soziale Sicherheit und Gesundheit). In der Fraktion erhalte ich Zusammenfassungen zu den wichtigsten Vorlagen. Alles zu sichten, wäre schlicht nicht möglich. Jede:r bereitet sich selektiv vor. Sprechen kann ich in der Regel nur zu Geschäften aus meiner Kommission oder meinen Vorstössen.

Für die in der Regel monatlich stattfindenden 1,5-tägigen Kommissionssitzungen gibt es für jedes Geschäft eine Dokumentation. Nebst dem Bericht des Bundesrates,
den Gesetzen und Anträgen sind darin auch viele Studien und zusätzliche Berichte enthalten. In der Kommission können auch zusätzliche Berichte bestellt werden.
Heute werden alle Dokumente elektronisch abgelegt, neu im System curiaplus. Das erleichtert vieles. Auf Wunsch können auch noch Dokumente in Papierform für die Kommissionsarbeit bestellt werden. Ich arbeite noch gemischt, weil es, gerade bei der Arbeit mit den Gesetzesvorlagen und den oftmals vielen Anträgen einfacher ist,
einen Teil der Sachen vorliegen zu haben, zumal in den Sitzungen parallel damit gearbeitet wird.

 

Die Nationalrät:innen sind oft bei den Debatten abwesend und kommen erst wieder, wenn sie abstimmen müssen. Wie kann die Demokratie überleben, wenn die Parteien einander nicht zuhören, und warum sollten sie dann das Wort ergreifen, warum sollten sie sich vorbereiten, wenn ihnen niemand zuhört? Gegenfrage: Was machen die Nationalrät:innen abseits des Saals?

Die intensiven politischen Diskussionen und die Kompromissfindung finden vor allem in, vor und neben den Kommissionssitzungen statt. Die wichtigen Geschäfte werden auch in den Fraktionssitzungen behandelt. Die Debatten im Rat sind darum wichtig für die Interpretation der Gesetze und Beschlüsse. Zugehört wird aber sehr wohl und es können auch Fragen an die Sprechenden gestellt werden, das wird oft genutzt. Ansonsten ist das Rederecht klar reglementiert.
Parallel zu den Parlamentssitzungen finden immer diverse weitere Sitzungen und Besprechungen statt, Gespräche mit Journalist:innen oder auch Besuche von Gruppen. Die meisten Parlamentarier:innen sind also in irgendeiner Form am Arbeiten, wenn sie nicht im Saal sind. Da die Debatten von 8 bis 13 Uhr und nachmittags von 15 bis 19 Uhr ohne Pausen laufen, werden aber auch Kaffeepausen individuell eingelegt.

 

Politisieren Neulinge im Nationalrat anders als Wiedergewählte? 

Neugewählte sind oftmals etwas offener, noch nicht so festgefahren in der Meinungsbildung und so insgesamt etwas kompromissfreudiger. Sie können sich aber auch vielfach noch weniger einbringen und gehören meist nicht zu den Meinungsmacher: innen, weil sie in vielen Geschäften zu wenig Dossier kenntnis haben. Gerade in den grossen Themen wie Sozialversicherungen, Steuer oder Energiefragen ist es hilfreich, die Geschichte und früheren Entscheide zu kennen.

 

Wie gross ist der Spielraum für eigene Positionen nebst den Vorgaben der Partei? 

Grundsätzlich sind wir frei in der Meinungsäusserung, aber in wichtigen Entscheiden wird die Fraktionsdisziplin durchaus eingefordert und es werden intensive Diskussionen in den Fraktionen geführt. Ich bringe mich in diesen Diskussionen ein und entscheide so auch den Kurs meiner Partei und Fraktion mit

 

Wieso hat das Bundespersonal eine so schlechte Lobby im Parlament? 

Das ist eine schwierige Frage. Ich verstehe es oft auch nicht, warum nicht alle Parlamentarier:innen ein Interesse daran haben, dem Personal möglichst gute Anstellungsbedingungen und Arbeitsmöglichkeiten zu bieten und somit einen guten Service Public zu ermöglichen. Dann halten sich auch alte Bilder vom «Beamtentum» aufrecht, obwohl die Bundesverwaltung heute längst ein
moderner, effizienter Betrieb ist. Die Parteien, die sich einen «schlanken Staat» und Bürokratieabbau auf die Fahne schreiben, schwächen mit schlechteren Bedingungen beim Staat die staatlichen Leistungen.
Viele Ausgaben beim Bund sind von den Gesetzen vorgegeben und es gibt wenig Spielraum im Budgetprozess für das Parlament. Darum wird immer wieder versucht, beim Personal anzusetzen.

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