Der Ortszuschlag wird in Frage gestellt
Bei so viel Harmonie fragt man sich, warum dennoch Anpassungen erfolgen sollen? Die Frage stellte sich gerade auch deshalb, weil beim Dauerbrenner Ortszuschlag ein für alle akzeptable Lösung vorgeschlagen wurde. War dessen Abschaffung im Jahr 2017 noch gescheitert, zeichnet sich nun angesichts der neuen Arbeitsformen und gewohnheiten eine Lösung ab. Das einzige nicht mehr zeitgemässe Element des Lohnsystems der Bundesverwaltung soll dadurch eliminiert werden, dass es zum Lohnbestandteil wird.
Dazu, sah ein Entwurf, der den Sozialpartnern im Januar zur Vernehmlassung vorgelegt worden war, vor, dass die Lohnklassenmaxima auf den Betrag des höchsten Ortszuschlags (Stufe 13) angehoben werden sollten und die Mehrkosten vom Bund getragen werden, ein Vorschlag, den der PVB für akzeptabel hielt. Mitte Februar machte Finanzminister Ueli Maurer jedoch einen Rückzieher: Er forderte auf, den Entwurf zu überarbeiten. Zwei neue Varianten wurden auf den Tisch gelegt: Die erste Variante sieht vor, dass die zusätzlichen Kosten für die Integration des Ortszuschlags (Stufe 13) in die Lohnklassenmaxima nicht mehr vom Bund, sondern von den Departementen im Rahmen ihrer ordentlichen Ausgaben getragen werden. Bei der zweiten Variante sollen die Lohnklassenmaxima nur um den Betrag des Ortszuschlags 10 erhöht werden. Bei Drucklegung dieses Magazins haben sich der PVB und die Personalverbände zur laufenden Konsultation geäussert: Sie lehnen jeden Vorschlag ab, der direkte oder indirekte negative Auswirkungen auf das Personal hätte (siehe auch den Kommentar).
Lohnbänder statt Lohnklassen
Anders sieht es hingegen beim vom Bundesrat zumindest teilweise angestrebten Abschied von den Lohnklassen aus. Obwohl sich das System mit seiner Einfachheit, Transparenz und Einheitlichkeit bewährt hat und auch kein Kostentreiber ist, sei es zu unflexibel, wird behauptet. Deshalb sollen, statt wie bisher in fixen Klassen auf definierte Lohnkurven zurückzugreifen, wenigere, aber breitere Lohnbänder (siehe Interview Christian Katz) zum Einsatz kommen.
Für den PVB handelt es sich um einen massiven Eingriff ins System, der nicht akzeptabel ist. «Breite Lohnbänder sind in erster Linie intransparent und erschweren die Nachvollziehbarkeit der Lohnentwicklung», unterstreicht Hayoz die sich hier abzeichnenden Risiken.
Bruederlin hingegen spricht von einem «halboffenen System», das die «aktuell einseitige Koppelungsmatrix durch die interne und externe Positionierung im Lohnband und die Erfahrung ersetzt». Und der Bundesrat glaubt – ohne die Koppelung von Leistungsbeurteilung und Lohnentwicklung völlig aufzulösen – durch Anpassungen die Lohnentscheide objektivieren zu können. Dazu würden interne und im Idealfall externe Lohnkurven eingebunden, wie er schreibt. Die aktuellen Beurteilungsstufen wären
obsolet und könnten aufgelöst werden
Transparenz ist ein wichtiges Instrument»
Das aktuelle Lohnsystem der Swisscom besteht seit 2015. Es basiert auf Job Leveln und zugehörigen Lohnbändern und hat sich nicht zuletzt deswegen bewährt, weil es Lohnentscheide nachvollziehbar macht. Wer nach dem Lohnsystem der Swisscom fragt, muss sich zunächst anhören, dass dort leistungsorientierte, nachvollziehbare und marktgerechte Löhne gezahlt und für Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern gesorgt werde. Kein Unternehmen würde etwas anderes sagen. Interessant wird es hingegen bei den Details.
Das auf Job Level genannten Lohnklassen und Lohnbändern basierende System ist so aufgebaut, dass «gleicher Lohn für gleichwertige Aufgaben und Leistungen entrichtet werden. Im Rahmen der jährlichen Lohnrunde passen wir die Löhne von Mitarbeitenden an», erklärt SwisscomPressesprecherin Sabrina Hubacher. Konkret gliedern sich die Job Level aller Jobs in «Wertigkeitsstufen nach dem jeweiligen Beitrag des Jobs zum Gesamtergebnis», heisst es bei dem Schweizer IT und Telekomriesen. Es gebe 9 Job Level, die zur Karriereplanung beitragen und denen Lohnbändern hinterlegt sind. Bei den zuletzt 2015 erfolgten Anpassungen des Lohnsystems ging es um die Einstufung der Jobs, also die Jobarchitektur und die damit verbundenen Lohnbänder. Erreicht worden sei damals eine «deutliche Vereinfachung und höhere Transparenz des Lohnsystems», so Hubacher weiter.
Konkret funktioniert das System so, dass für die Lohnfestsetzung in erster Linie der Job entscheidend ist. Auf dieser Basis wird dann eine Positionierung im zugehörigen Lohnband definiert. Das orientiert sich an den Skills und der Erfahrung, die der oder die Mitarbeitende für diesen Job mitbringt. Für die Lohnentwicklung ist dann vor allem die Positionierung im Lohnband ausschlaggebend, aber natürlich auch eine ausserordentliche Leistung der jeweiligen Mitarbeitenden.
Zu der These, dass im rasanten technischen Wandel und der damit verbundenen kürzeren Nutzbarkeit des Wissens ein Lohnsystem wie Lohnklassen nicht mehr zeitgemäss ist, erklärt die SwisscomSprecherin: «Lohnsysteme geben eine Struktur vor und helfen Mitarbeitenden und Vorgesetzten, Lohnentscheide zu verstehen». Deshalb braucht es eine klare und transparente Struktur, wird betont. «Aus unserer Sicht ist entscheidend, dass das Lohnsystem den Wertbeitrag des Jobs und des Mitarbeitenden angemessen berücksichtigt. Das Alter sollte dabei keine Rolle spielen.»
Die Transparenz versteht die Swisscom als ein wichtiges Instrument, um Schieflagen zu vermeiden. Alle Mitarbeitenden können die Einstufung von jedem Job bei Swisscom im Intranet nachschauen. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass Lohnentscheide mit Hilfe des Lohnsystems transparent und logisch erklärt werden können, so Hubacher. Gefragt, wie sinnvoll es ist, die Lohnentwicklung von der Leistungsbeurteilung zu entkoppeln, zeichnet Hubacher das reale Vorgehen nach. «Im Rahmen der jährlichen Lohnrunde passen wir die Löhne von Mitarbeitenden an. Mitarbeitende, deren Lohn innerhalb des jeweiligen Lohnbandes tief liegt oder die einen ausserordentlichen Beitrag geleistet haben, erhalten in der Regel eine überdurchschnittliche Lohnerhöhung.» Das Lohnsystem trage eben dazu bei, den Wertbeitrag des Jobs und des Mitarbeitenden angemessen zu berücksichtigen.
Interessant ist, dass sich der Bundesrat für diesen Systemwechsel ausgesprochen hat, nachdem er unter anderem das Lohnsystem des Inselspitals zum Vergleich herangezogen hatte. Dabei habe sich gezeigt, dass dessen Lohnsystem unter anderem deshalb als Muster für eine allfällige Systemanpassung beim Bund verwendet werden könne, weil es die Lohnentscheide durch die Einbindung interner und externer Lohnkurven objektiviere. Individuelle Belange und die aktuelle Marktsituation würden stärker berücksichtigt. Auch wenn das Vergleichsmodell nicht integral übernommen werden könnte, liefere es doch interessante Ansätze für die Anpassungen des Lohnsystems der Bundesverwaltung, so der Bundesratsbericht.
Konkret wird darauf rekurriert, dass das Inselspital seine 25 Lohnklassen mit 80 hinterlegten Stufen auf 18 Lohnbänder reduziert hat. Und neu pro Lohnband je nach Funktion mehrere Lohnkurven ermöglicht. Dabei existieren pro Funktion eine interne Lohnkurve und externe Referenzkurve, so der Bericht weiter.
Für den PVB handelt es sich um einen massiven Eingriff ins System, der nicht akzeptabel ist. «Breite Lohnbänder sind in erster Linie intransparent und erschweren die Nachvollziehbarkeit der Lohnentwicklung».
Risiken des Systemwechsels
Der PVB bestreitet, dass der Vergleich mit dem Inselspital überhaupt zulässig ist. Schon die Integration externer Lohnvergleiche sei für das Bundespersonal nicht anwendbar. Würden nach dem Systemwechsel doch innerhalb gleicher Lohnklassen verschiedene Berufe unterschiedlich bewertet und somit schwer erklärbare Ungleichheiten geschaffen. Und gewarnt wird auch davor, dass marktgerechte Löhne nicht in jedem Fall «gerechte» Löhne sind. Das gelte besonders für die tieferen und mittleren Einkommen zumal in einem Markt, der immer wieder zweifelhafte Anstellungsverhältnisse begünstigt.
Damit sind aber längst nicht alle Risiken angesprochen, die mit Lohnbändern einhergehen. Der Bundesratsbericht spricht von «systembezogener Intransparenz». Das System erlaube den Vorgesetzten, «Lohnempfehlung in einem gewissen Rahmen zu übersteuern» und subjektive Einstellungen der Vorgesetzten könnten dysfunktional wirken. Dieses Risiko wird noch erhöht, wenn die für individuelle Massnahmen zur Verfügung stehende Quote relativ tief ist und Druck entstehe, Lohnerhöhungen in erster Linie über die Leistung zu begründen. Unter Umständen werden sogar Korrekturen von strukturellen Verwerfungen verhindert, zumindest aber relativiert. Weiter wird ein als nicht zu unterschätzender Schwachpunkt des Modells die Abhängigkeit von mindestens einem externen Unternehmen für die Erhebung funktionsbezogener Marktlohnkurven genannt.
Kurz: Die Komplexität wächst und die Transparenz leidet und das nicht nur bei den Lohnauswirkungen im Rahmen von Karieremöglichkeiten, die beim Bund bisher klar und einfach nachvollziehbar sind.
Einfachheit und Transparenz ausbauen
Angesichts dieser RisikoPalette fragt sich, warum nicht an den bewährten Systemstärken festgehalten wird. Zumal auch die nun vorgelegte Analyse des aktuellen Vergütungssystems, der Vergleich mit den Lohnsystemen vom Inselspital und die Beurteilung des externen Experten klarstellen, dass die Entkoppelung der Leistungs und Verhaltensbeurteilung von der Lohnentwicklung für die
Bundesverwaltung nicht empfehlenswert ist. Auch sei das fundamentale Konzept eines Fixlohnsystems mit passender Anfangslohnfestsetzung und leistungsbezogener Lohnentwicklung für einen öffentlich rechtlichen Arbeitgeber auch im Lichte moderner personalstrategischer Entwicklungen und Best Practises der richtige Ansatz, heisst es weiter.
Dennoch favorisiert der Bundesrat die Modernisierung des Lohnsystems. Trotz der Risiken glaubt er, über die Systemanpassung die Lohnentscheide versachlichen zu können. Welche Konsequenzen das hat, ist derzeit offen.
Anspruchsvoll dürfte es aber beispielsweise schon dann werden, wenn zur unmittelbareren Führung der Mitarbeitenden wie angekündigt, die Kadenz der Feedbackgespräche beziehungsweise Standortbestimmungen erhöht werden soll. Zumal dem Bundesrat vorschwebt, seine Führungsmannschaft bezüglich Instant und Constant Feedback noch zu qualifizieren.
Es ist jedenfalls definitiv kein Weg, Führungsprobleme zu lösen, indem man das Lohnsystem anpasst. Führung und Entscheiden gehört zusammen, das sollten die Vorgesetzten können. Das Beispiel Swisscom (siehe Kasten) zeigt jedenfalls, wie viel sinnvoller Transparenz ist. Mit breiten Lohnbändern hingegen, um das zu wiederholen, wird schon die Lohnentwicklung intransparent und dessen Nachvollziehbarkeit erschwert. Im bestehenden System der Lohnklassen kann davon nicht die Rede sein.
Würden nach dem Systemwechsel doch innerhalb gleicher Lohnklassen verschiedene Berufe unterschiedlich bewertet und somit schwer erklärbare Ungleichheiten schaffen.
Das aktuelle Lohnsystem – Personalbeurteilungen
Die Mitarbeitenden werden nach den folgenden vier Stufen beurteilt und erhalten eine entsprechende prozentuale Lohnentwicklung, sofern sie nicht das Maximum ihrer Lohnklasse erreicht haben