Politisch verblendete Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik der Uni Luzern (IWP)
Im vergangenen Jahr hat das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik der Uni Luzern (IWP) eine Studie mit dem Namen «Staatliche und staatsnahe Beschäftigung in der Schweiz. Wo wächst der öffentliche Sektor?» publiziert. Die Studie hat in der breiten Öffentlichkeit und insbesondere bei den grossen Medien für reisserische Schlagzeilen gesorgt. Schon damals gab es weder in der Politik noch in den Medien eine kritische Auseinandersetzung mit der Studie oder dem erwähnten Institut IWP. Ein gutes Jahr später, genau auf die Sommerpause und wunderbar mitten in der Polemik um die Bundesfinanzen, wurde die Studie «aktualisiert». Diese «Aktualisierung» ist nur alter Wein in neuen Schläuchen. Für die im Herbst anstehende Budgetdebatte im Parlament verheisst diese Studie jedoch wenig Gutes.
Das IWP und seine politische Verortung
Über das IWP und seine Finanzierung ist wenig bekannt. Mit seiner Verortung an der Universität Luzern scheint automatisch die wissenschaftlich-objektive Legitimierung gegeben. Doch diese Mutmassung ist trügerisch. Dass es sich beim IWP um ein unabhängiges Institut handelt, stellen verschiedenste Quellen (Schweizerischer Gewerkschaftsbund – SGB) in Abrede. Zu politisch eingefärbt waren auch andere Publikationen, die sich mit der Altersvorsorge, der Einkommensverteilung, dem Ausgabenwachstum oder der öffentlichen Verwaltung auseinandersetzen. Diese verschreiben sich den neoliberalen Grundsätzen und einer bisweilen gar naiven Marktgläubigkeit. Der Direktor des IWP, Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger, hat sich ebenfalls nicht der politischen Neutralität verschrieben. So war er Referent von Alt-Bundesrat Hans-Rudolf Merz, jener Bundesrat, der dem Bundespersonal eines der grössten Sparpakete auferlegte. Als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Bereichs Finanz- und Steuerpolitik beim Dachverband der Schweizer Wirtschaft sind seine politischen Präferenzen ebenfalls gut einordbar. Dies alles scheint nicht weiter skandalös, da es Wissenschaftler:innen jeglicher politischer Couleur gibt. Aber wenn eine so brisante Studie von einem Institut mit sehr verlockend klingendem Namen publiziert wird, ohne jegliche weiteren Informationen über die Herkunft von Institutsgeldern, dann wird es problematisch. Denn über die institutstragende «Stiftung Schweizer Wirtschaftspolitik» ist nur bekannt, wer im Stiftungsrat und Institutsbeirat sitzt und weiter, dass keine aktiven Politiker:innen Mitglied sind.
Die Vergleichbaren vergleichen
Eine Studie mit wissenschaftlichen Mängeln?
Eine Studie mit derart explosiven Daten zu publizieren und dabei nie mit direktbetroffenen Akteuren, wie zum Beispiel der Bundesverwaltung oder dem eidgenössischen Personalamt (EPA), Kontakt aufzunehmen, ist schon eher befremdlich. In vorliegendem Fall betrachtet der PVB, dass das IWP sich zum Auftrag gemacht hat, die Stimmung gegen das Bundespersonal aufzuheizen, um der politischen Demontage der Arbeitsbedingungen des Bundespersonals den Weg zu bereiten. Die Medien greifen dies genüsslich auf und nicht mal das Schweizer Fernsehen SRF hat sich die Zeit genommen, die Studie und ihre Methoden kritisch zu durchleuchten. Wie weit die Medienkampagne gegen das Bundespersonal geht, verdeutlicht auch immer wieder die qualitätsbewusste Neue Zürcher Zeitung (NZZ), welche noch nach bald 30 Jahren seit der Abschaffung des Beamtengesetzes, in gewissen Publikationen von Beamten schreibt. Tragisch, aber wahr.
Die Studie des IWP hat handwerkliche Mängel, welche die Interpretationen der Ergebnisse stark beeinflussen. Diese Mängel wurden bereits nach der Publikation der ersten Studie im 2023 von verschiedenen Seiten thematisiert, doch fand diese Kritik an der Methodik und dem Umgang mit der Datenlage keinen Niederschlag in Beiträgen der Medien. Zu reisserisch klang die Schlagzeile, dass die Verwaltungslohnprämie beim Bund bei 11.6 % liegt. Obwohl die Autoren in einem Nebensatz und am Ende der Studie selbst diese Lohnprämie relativieren, war davon in der Berichterstattung kein Wort zu lesen. Diese Einordnung ist aber wichtig und wäre vor allem angebracht, weil die erste IWP-Studie auf den Daten der SAKE (Schweizerische Arbeitskräfteerhebung) basierte. Diese Erhebung liefert Daten über die Erwerbsquote und Beschäftigungslage der Schweizer Bevölkerung. Lohndaten werden in der SAKE zwar ebenfalls erhoben, allerdings sind diese sehr rudimentär und demgemäss wenig verlässlich. Daher eignen sich die Lohndaten der SAKE nicht für Lohnvergleiche. Methodisch betrachtet verglich die IWP-Studie daher die Arbeitgeberin Bund mit knapp 40’000 Angestellten mit dem gesamten Privatsektor, welcher weit über vier Millionen Erwerbstätige zählt.
Zwar meinte die IWP-Studie «Das heisst, die Löhne sind höher, wenn gleichwertige Stellen und Arbeitskräfte aus der Verwaltung und der Privatwirtschaft verglichen werden.» Dies wird aber nicht weiter ausgeführt und ist mit der SAKE-Datenlage schlicht nicht möglich. Es ist daher wenig überraschend, dass der Durchschnittslohn der Bundesverwaltung über jenem des gesamten Privatsektors liegt. Denn im Privatsektor sind auch Branchen wie Gastronomie (rund 250 000 Erwerbstätige) und Detailhandel (rund 320 000 Erwerbstätige), die ein tiefes, teilweise sogar prekäres Lohnniveau aufweisen, oder auch das Baugewerbe (350’000 Erwerbstätige), welches hauptsächlich Arbeitnehmende im tieferen bis mittleren Lohnniveau repräsentiert, enthalten. Dies wirkt sich auf den entsprechenden Durchschnittslohn aus. Die Autoren der Studie räumten diese beschränkte Aussagekraft der Studie selbst ein. Auch zur stärker steigenden Akademisierung bei der Bundesverwaltung macht die Studie Aussagen, die schwer nachvollziehbar sind, jedoch stammten auch diese Daten nicht von der Bundesverwaltung. Zwar wurde für den Lohnvergleich der aktualisierten Studie – nebst den SAKE-Daten – auch die zweijährlich stattfindende Lohnstrukturerhebung (LSE) miteinbezogen, um damit, gemäss den Autoren «noch» verlässlichere Daten zu erhalten. Der Einbezug der LSE-Daten ist dabei sicherlich zu begrüssen, da diese für Lohnvergleiche verlässlicher sind. Es ist aber weiterhin nicht zu erkennen, wie die Auswertung durchgeführt wurde und vor allem, wie mit den Daten der beiden Erhebungen umgegangen wurde. Dies bleibt, trotz einer Aktualisierung und einer präziseren Datenlage, ein Hauptmangel der Studie. Nur weil in der aktualisierten Studie die LSE-Datenlage zusätzlich hinzugezogen wurde, sind nicht alle Bedenken an der Studie verflogen.
Der Vergleich Bund gegenüber der restlichen Privatwirtschaft ist auch dahingehend nicht standhaft, weil der Bund mit anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen seiner Grösse verglichen werden sollte.
Regionale Unterschiede und die Grösse der Vergleichsbetriebe sind ebenfalls zu berücksichtigen
Ein Umstand, welcher in der IWP-Studie ebenfalls wenig berücksichtigt wird, ist der regionale Faktor der Fachkräfterekrutierung. Wenn der Bund einer gesamthaft betrachteten Privatwirtschaft gegenübergestellt wird, dann darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Bundesverwaltung viel stärker in städtischen Arbeitsmärkten rekrutiert, wo das Lohnniveau aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten generell höher ist. Darum gibt es beim Bund auch den Ortszuschlag als Lohnbestandteil, um diesem Phänomen teilweise entgegenzuwirken.
Der Vergleich Bund gegenüber der restlichen Privatwirtschaft ist auch dahingehend nicht standhaft, weil der Bund mit anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen seiner Grösse verglichen werden sollte, d.h. mit anderen Schweizer Grossunternehmen mit strukturellen Ähnlichkeiten. Denn effektiv konkurriert der Bund mit diesen Unternehmen um das Personal. Um eine Analogie zu wagen, könnte man auch feststellen, dass die Mitarbeitenden der UBS im Vergleich zu jenen einer kleinen Regionalbank überbezahlt sind. Es sind jedoch ökonomische Gründe, warum eine grosse Bank höhere Löhne bezahlt als eine kleine. Bestätigt wird diese These auch dadurch, dass die Lohnprämie bei Kantonen kleiner und bei Gemeinden nochmals kleiner ist. Dies rührt auch daher, dass diese Verwaltungsebenen jeweils näher an der durchschnittlichen und vergleichbaren Unternehmensgrösse sind und auch dort die regionale Verankerung einen entsprechenden Einfluss hat.
Der Fachkräftemangel: nur ein Phänomen der Privatwirtschaft?
Gemäss den Autoren der IWP-Studie soll die Bundesverwaltung oder allgemein die öffentliche Verwaltung durch die Lohnprämie wettbewerbsverzerrend wirken und damit den Fachkräftemangel für die Privatwirtschaft verschärfen. Die Ausgangslage ist bedeutend komplexer: die öffentliche Hand spürt den Fachkräftemangel ebenso und in den nächsten Jahren wird diese mit den Pensionierungen der Baby-Boomer-Generation sogar überdurchschnittlich davon betroffen sein. Die Pensionierungswelle, die auf die Bundesverwaltung zukommt, wird den Bund als Arbeitgeber dem Fachkräftemangel entsprechend aussetzen. Dies wird nicht in allen Bereichen gleich spürbar sein, da der Bund nicht in allen Bereichen oder Branchen gleich konkurrenzfähig mit ähnlichen privaten Akteuren ist.
Schon heute findet die Bundesverwaltung gewisse Spezialist:innen und Expert:innen im Bereich der IT/Data-Science oder auch im Bereich der Finanzen nur schwer und kann mit der Privatwirtschaft teilweise schon länger nicht mehr mithalten. Für diese Erkenntnis hätten die Autoren der Studie nur eine Umfrage in der Bundesverwaltung machen müssen. In anderen Bereichen ist der Bund dann wieder konkurrenzfähiger und macht durchaus der Privatwirtschaft das Leben schwer. Nun kann dieser Umstand dahingehend gedeutet werden, dass der Bund dort zu viel zahlt, aber vielleicht wäre es auch nicht verwegen, festzustellen, dass in diesen Teilen der Privatwirtschaft die Löhne zu tief sind. Der Schluss, dass die Löhne der öffentlichen Hand generell einfach zu hoch sind, wenn diejenigen der Privatwirtschaft tiefer ausfallen, hält dem Realitätsvergleich nicht stand. So divers wie der Bund als Arbeitgeber ist, sind auch seine Einflüsse auf den Arbeitsmarkt und damit als Konkurrent gegenüber den jeweilig betroffenen Bereichen der Privatwirtschaft.
Weiter muss auch im Kontext des Fachkräftemangels regional differenziert werden. Dass die Bundesverwaltung im Raum Bern und Agglomeration eine harte Konkurrentin auf dem Arbeitsmarkt ist, spricht niemand ab, da die Bundesverwaltung im Raum Bern eine grosse Akteurin ist, aber dies ist sie mitnichten nur für die Privatwirtschaft, sondern auch für die nahen kantonalen und kommunalen Verwaltungen. Aber dass die Bundesverwaltung eine ernsthafte Konkurrenz im Buhlen um die Fachkräfte in peripheren Gebieten ist, muss stark in Abrede gestellt werden. So kann die Aussage, dass die Bundesverwaltung per se im Kampf um die jungen Arbeitskräfte gegenüber der Privatwirtschaft einen wettbewerbsverzerrenden Einfluss hat, nicht stehen gelassen werden. Zu komplex sind der Arbeitsmarkt und die Herausforderungen der Zukunft.
Das Absurde gipfelt dann in der Feststellung, dass junge Menschen aufgrund der hohen Löhne bei der öffentlichen Hand ihre Studienfächer entsprechend wählen. Diese Aussage wirkt fast schon befremdlich und um diesen Schluss zu ziehen, muss weit hergeholt werden. Würde diese Aussage stimmen, dann würde es beispielsweise im Bereich der obligatorischen Schulen keinen Mangel an Lehrpersonen geben oder woher würde der eklatante Mangel an Fachkräften im Gesundheitsbereich rühren, aber auch der Mangel an Fachkräften im digitalen Bereich ist damit nicht zu erklären.
Die Autoren der Studie täten gut daran, anstelle eines Sündenbocks, nach den wirklichen Ursachen für den sich verschärfenden Fachkräftemangel zu suchen, um der Realwirtschaft dienliche Schlüsse zu unterbreiten. Aktuell geschieht das Gegenteil: dem rechtsbürgerlichen Parlament werden hanebüchene Argumente geliefert, um mit dem Vorschlaghammer auf die Arbeitsbedingungen des Bundespersonals loszugehen. Dies könnte längerfristig die Anstellungsbedingungen in allen Bereichen nachhaltig verschlechtern, mit entsprechenden Konsequenzen nicht nur für den heimischen Arbeitsmarkt, sondern auch für die Gesamtwirtschaft.
Die Löhne wie auch die Arbeitsbedingungen in der Bundesverwaltung müssen gut sein. Die Bundesverwaltung, und allgemein die öffentliche Verwaltung hat auf dem Arbeitsmarkt eine Vorbildfunktion. Dabei sind Löhne aber nur ein Teil des Pakets. Denn auch andere Rahmenbedingungen sind für die Mitarbeitenden zentral. Für die einen ist es die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, für die anderen ist es die Sinnhaftigkeit der Aufgabe, um nur zwei zu nennen. Wie sich die Lebensentwürfe unserer Gesellschaft diversifizieren und auch fortlaufend ändern, definiert sich auch die Arbeitswelt immer wieder neu und muss sich anpassen. In dieser dynamisch-agilen Arbeitswelt gilt es für alle Arbeitgeber:innen, sich zu behaupten.
Auch Karlheinz Sonntag, Seniorprofessor für Arbeitsforschung und Organisationsgestaltung an der Universität Heidelberg, meinte unlängst (NZZ, 02. August 2024), anstelle über «zweifelhafte Stereotypen» der jüngeren Nachfolgegenerationen X, Y und Z zu rätseln, sei es für die Unternehmungen zentraler, ein altersdifferenziertes Arbeitsumfeld zu schaffen. Vorausschauende Unternehmungen tun dies auch, indem sie die Generation, die in den nächsten Jahren die Arbeitswelt verlässt, mit Programmen wie «Silverline», «Midlife Power» oder «50plus» begleiten und sie auch über das Pensionsalter hinaus den Betrieben reduziert erhalten bleiben. Jedoch meinte Sonntag weiter, «jüngere Befragungen lassen darauf schliessen, dass viele Führungskräfte und Entscheidungsträger:innen – insbesondere in kleineren mittelständischen Betrieben – diesbezüglich zögerlich sind. Sie sehen sich noch nicht ausreichend vorbereitet, solche Aktionen zur erforderlichen Deckung des Fachkräftebedarfs in ihrer Organisation zu nutzen oder sich mit den generationenspezifischen beruflichen Präferenzen und Wünschen der Belegschaft auseinanderzusetzen.».
Gemäss Sonntag geht es zur Bewältigung des Fachkräftemangels auch um ein erfolgreiches «Alters- und Generationenmanagement» in den Betrieben und Organisationen mit vielfältigen Rahmenbedingungen wie neue Karrierepfade, bedarfsgerechte Weiterbildungsprogramme oder auch, wie es Sonntag nennt,
eine «altersdifferenzierte, belastungsarme und beeinträchtigungsfreie ergonomische Gestaltung von Arbeitsmitteln und Software». Dies muss gepaart werden mit Massnahmen für die jüngeren Generationen, welchen örtlich flexible Modelle hybrider Arbeit für die Harmonisierung von Arbeits- und Privatleben wichtiger sind. Mit solchen vielfältigen Massnahmen sollte es möglich sein, dass sich Jüngere vermehrt bewerben und Ältere in der Organisation verbleiben. Jedoch muss diesen ständig verändernden Bedürfnissen immerzu Rechnung getragen werden.
In diesem Punkt kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass die Privatwirtschaft einen grossen Vorteil gegenüber der öffentlichen Verwaltung hat, nämlich, dass sie schneller und unbürokratischer auf neue Entwicklungen reagieren kann oder könnte. Der legale Rahmen ist bedeutend weniger restriktiv, um mit Pilotprojekten oder Versuchen auf neue Ausganslagen zu reagieren, und die Privatwirtschaft ist ebenfalls nur sehr eingeschränkt langwierigen politischen Gesetzesprozessen ausgesetzt und muss nicht jegliche Veränderungen von den manchmal langsam mahlenden Mühlen der Politik absegnen lassen.
Abschliessend können wir feststellen, dass die materiellen Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt ein sicher nicht zu unterschätzender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt sind, aber die Privatwirtschaft hat es auch selbst in der Hand, sich den nicht zu unterschätzenden Vorteil hinsichtlich der Flexibilität in der Reaktion auf neue generationen- und altersbedingte Ausgangslagen auf dem Arbeitsmarkt zu Nutze zu machen und damit als Arbeitgeber:innen ihre Attraktivität zu steigern.
Und wenn die öffentliche Hand ganz einfach faire Löhne bezahlt?
Gemäss der IWP-Studie sind die Verwaltungslohnprämien beim Bund nicht in allen Bereichen gleich hoch. So weisen die tiefsten Löhne die höchsten Prämien auf und je höher das Lohnniveau wird, desto tiefer werden die Prämien. Aber auch das Alter und die Anstellungsdauer haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Höhe der Lohnprämie. Nun haben die Interpretationen der Autoren, unter Berücksichtigung ihrer politideologischen Prägung, sicherlich Berechtigung, aber sie könnten durchaus auch anders eingeordnet werden. Eine interessante Erkenntnis ist, dass Beschäftigte mit Boni in den hohen Lohnsegmenten im privaten Sektor besser verdienen als im Bund. Das deutet darauf hin, dass die öffentliche Hand, mit ihren gerne negativ ausgelegten «starren» Lohnsystemen die Lohnexzesse bei hohen Löhnen in Zaun hält und diese zu Recht verhindert.
Eine weitere problematische Interpretation der Autoren ist zudem die Annahme, dass der Privatsektor in jedem Fall «faire» Löhne bezahlt und alle, die darüberliegen als Überbezahlung zu taxieren sind. Denn der Umstand, dass die Lohnprämien am unteren Ende der Lohnskala besonders gross sind, deutet darauf hin, dass der Bund im sogenannten Tief- und Niedriglohnsektor eben gute Löhne bezahlt. Es ist hinlänglich bekannt und auch nicht verwerflich, dass eine Reinigungsfachkraft oder ein:e Logistiker:in beim Bund besser verdient als in der Privatwirtschaft, aber auch, weil in der Privatwirtschaft in diesen Bereichen teilweise Dumpinglöhne bezahlt werden. Wenn der Bund nun in diesen Lohnsegmenten als Treiber gegen oben wirken sollte, dann ist dies aus gewerkschaftlicher Sicht zu begrüssen. Dasselbe gilt auch für die mittleren Löhne. Ebenfalls interessant scheint die Aussage, dass die Lohnprämie bei den Frauen ebenfalls signifikant höher ist als bei den Männern. Dies könnte zum Umkehrschluss führen, dass dem Primat der Gleichbehandlung in der öffentlichen Verwaltung mit ihren «starren» Lohnsystemen auch mehr Gewicht verliehen wird als in Teilen der Privatwirtschaft.
Jérôme Hayoz, Generalsekretär PVB